17. Sonntag im Jahreskreis (A)

58
Bild: Stephan Eschenbacher

Liebe Schwestern und Brüder!
Es war einmal ein armes Mädchen, das in einem kleinen, heruntergekommenen Haus lebte und sich kaum etwas zu essen leisten konnte. Da erschien dem Mädchen des Nachts eine Fee und sagte: “Ich sehe, wie armselig du dein Dasein fristen musst. Ich will dir deshalb einen Wunsch erfüllen.”
Es ist kein Wunder, dass so – oder so ähnlich – manche Märchen beginnen. Denn es ist eine Sehnsucht von uns Menschen, dass Wünsche wahr werden, am besten erfüllt durch eine Fee von einem Moment auf den anderen.
Was würde ich mir dann wünschen? Reichtum, Glück, Gesundheit, Frieden, Wohlstand, ein langes Leben…
In der heutigen Lesung erscheint keine Fee, sondern Gott höchstpersönlich dem König Salomo im Schlaf und stellt ihm jene traumhafte Frage, die wir sonst nur aus dem Märchen kennen: “Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll!”
Salomo ist König von Israel. Was wird er sich wünschen? Reichtum, dass seine Feinde vernichtet werden, ein langes Leben, damit er möglichst lange an der Macht bleiben kann? Nein, Salomo entscheidet sich für etwas anderes; er bittet Gott: “Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz.”
Je länger ich über diese Antwort des Königs nachdenke, desto faszinierender finde ich seinen Wunsch. Salomo hat vor nahezu 3000 Jahren gelebt, aber ist seine Bitte nicht etwas, was auch heute vielen gut täte… ein hörendes Herz. Denn mal ehrlich: wer kann das heute noch: wirklich zuhören?
Und bei längerem Nachdenken muss ich mir ehrlicherweise sogar an die eigene Nase fassen: Wie oft höre ich nur halb hin, wenn mir jemand was sagt? Wie oft bin ich abgelenkt oder in Gedanken völlig woanders, wenn mir jemand etwas erzählt? Wie oft rauschen Worte an mir vorbei? Wie oft höre ich nur einzelne Worte, bastle mir daraus etwas im Kopf zusammen und bilde mir so vorschnell meine Meinung?
Ein hörendes Herz täte also auch mir gut. Doch was ist das eigentlich? Ein “hörendes Herz” bedeutet für mich: ich höre wirklich zu – das ist eine Kunst – das heißt ich quatsche nicht dazwischen (außer wenn ich etwas nicht verstehe und nachfragen will), ich bin nicht abgelenkt durch das Handy, auf das ich immer wieder mal schnell schauen muss oder durch Gedanken wie: “was muss ich heute noch besorgen”, “was wollte ich morgen noch erledigen”… Ein hörendes Herz hört erst einmal einfach nur zu: das ist schwerer als man denkt. Das bedeutet nämlich, ich bilde mir erst einmal keine Urteile; ich denke nicht: “was der schon wieder erzählt”, oder “die hat’s nötig”, oder “das kann doch nur der passieren”.
Beim hörenden Herzen spielt neben dem Zuhören auch das Herz eine Rolle. Das heißt, ich versuche mit Empathie zuzuhören, ich fühle mich in den anderen ein, ich versuche, mein Gegenüber zu verstehen und eine Verbindung aufzubauen. Ich begegne meinem Gegenüber mit Respekt und Wertschätzung, weil ich mich auf ihn/sie und seine/ihre Welt einlasse.
Ein hörendes Herz… wenn möglichst viele Menschen sich darum bemühen würden, gäbe es weniger Missverständnisse und Kommunikationsprobleme; dann würden sich Menschen besser verstehen und hätten Verständnis füreinander, was die Welt sicher friedlicher machen würde. Insofern ist die Bitte des Königs Salomo an Gott gar nicht so dumm. Im Gegenteil: sie ist sehr klug.
Aber dass da plötzlich eine Fee kommt und mir von einem Moment auf den anderen ein hörendes Herz schenkt, das gibt es leider nur im Märchen. Und trotzdem ist nicht alles verloren. Denn ein “hörendes Herz” kann ich wirklich einüben, kann es mir antrainieren, wenn ich es will. Und immer wieder – wie König Salomo – Gott im Gebet darum zu bitten, ist sicher auch nicht verkehrt.

“Man hört nur mit dem Herzen gut”, mit diesem leicht abgewandelten Satz aus dem kleinen Prinzen gehe ich in die kommende Woche. Der Lesungstext hat mir den Impuls dafür gegeben, in nächster Zeit bewusster, mit Herz, wirklich zuzuhören. Insofern ist dieser Text für mich heute wertvoll geworden, wie eine Perle. Übrigens hält unser Glaube viele solcher Perlen bereit, wenn wir an der richtigen Stelle danach suchen.