1. Woche: Dienstag

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Sehnsucht

Sehnsucht ist kein Ding, das man in den Einkaufswagen legt, bezahlt und mit nach Hause nimmt. Dann könnte man es sich ja noch überlegen, ob man sie wirklich haben will, ob man sie überhaupt braucht.
Nein, die Sehnsucht kommt ungefragt ins Haus. Wobei das Haus nicht größer ist als ein Herz. Genaugenommen ist das Herz der Ort, an dem sie sich niederlässt.
Sie fragt nicht nach, ob sie etwa ungelegen kommt, ob sie vielleicht lieber ein anderes Mal… Nein, sie ist einfach da, macht es sich gemütlich und bleibt. Aber nicht untätig.
Sie hat die Kraft eines Wirbelsturms und die Hartnäckigkeit eines am Schuh klebenden Kaugummis. Sie hält jung und ist selbst uralt. So alt wie die Menschheit selbst. Mindestens.
Sie ist Antreiberin, Erinnerin, auf den Geschmackbringerin, Unruhestifterin, Besänftigende, Lebendighaltende, Beflügelnde, Liebende, nicht Totzukriegende…
Ich glaube, sie ist mit Gott verwandt.

Andrea Wilke, in: Pfarrbriefservice.de